“Mehlfäden”
… Das Brummen hinter der abgeschlossenen Tür schälte sich,
zwängte sich aus seinem Blendwerk und die Männer begannen
gewahr zu werden, dass es sich dabei um gemurmelte Worte
handelte. “Meine Diamanten brauchen mich … Meine Diamanten
rauchen mich …” Mit der Regelmäßigkeit eines defekten
Plattenspielers sprach eine Stimme diesen Satz, die wie Karl
klang - allein solchergestalt, als füllten seinen Mund Mehl und
Staub. …
“Colt-Collin”
… “So kalt, dunkel und schwarz”, sprach das Etwas. “Weißt du,
was wir nun machen, Colt-Collin?” Der Mann schwieg. Er
presste seine Zeigefinger in die Ohren, bis er Schmerz
verspürte. “Kalt, dunkel und schwarz - wie deine Seele,
Colt-Collin.” Die Stimme war kaum mehr als das Säuseln
eines Baches im Herbst. “Sieh mich an!”, forderte die Gestalt.
Der Mann wimmerte, schüttelte den Kopf und wühlte seine
Finger noch tiefer in seine Gehörgänge. “Bringt dir das was?
Ich fresse mich in deinen Verstand. Du hörst mich, auch wenn
ich deine Trommelfelle verbrenne. …
“Der Messermann”
… Frank war der Einzige, der dieser Idylle mit Zweifel begegnete.
Weshalb sollte es hier unten so etwas Schönes geben? Zwar
überlegte er, sich gleichfalls der Harmonie hinzugeben, aber dann
hörte er Messerschaben, das weder von ihm noch von seinen
Freunden kam. Es mussten Hunderte von Messern sein - vielleicht
sogar Tausende. Allein Frank schien es zu vernehmen. Anscheinend
tötete die Idylle das Hörvermögen seiner Freunde, erstickte es wie
mit einem parfümierten Kissen, während sich in Franks Ohren alles
zu irren Phrasen formte. …
“Nachtklaue”
… Lisa nickte, schluckte und wusste, ehe sie um Hilfe schreien
könnte, läge sie tot zwischen den Beinen dieses Tisches, an
welchem gerade die Romantik wich und der Horror spross. Roy
schritt auf und ab. Sie hörte mit Terror im Inneren, wie er “Hiatus”
vor sich hinflüsterte. Niemand wusste, wieso er genau dieses Wort
zu sagen pflegte, wenn seine Wut auszubrechen drohte oder gar
bereits ausbrach, doch Lisa hatte mit der Zeit gelernt, es zu
fürchten. …
… “Als blicke man in die Augen einer lächelnden Puppe - keine
Gefühle, nur Kälte und Seelenfrost.” …
“Dies ist Staatseigentum!”
… Mia beschloss zu vermitteln und sagte: “Bitte, hören Sie zu! Dieser
Mann ist etwas … eingeschränkt. Er weiß nicht, dass es verboten ist,
Exponate anzufassen. Eigentlich passe ich immer auf ihn auf, aber
heute …” “Dies ist Staatseigentum!”, quiekte der Wachmann wieder.
Seine Halbglatze glänzte im Licht, Schweißperlen rannen seine
Wangen herab und verfingen sich im Gestrüpp seines Vollbarts.
Seine Augen huschten hin und her, und er schürzte die Lippen wie
ein Irrer, der er offensichtlich auch war. …
“Pranken”
… Auf dem Beifahrersitz saß ein dicker Junge, einen Stoffgorilla
in der Hand haltend. Das Kind drängte sich an den Rand des
Sitzes, blickte in die graue Kälte und hoffte, seine Mutter würde
ihn heute verschonen. Er mühte sich, seinen stets leicht
keuchenden Atem zu beruhigen, möglichst Stille einkehren
und sie ver- gessen zulassen, dass er da war. … … Sie - er
hasste es, auch nur an ihren Namen zu denken, deshalb
nannte er die Frau neben sich einfach nur sie - merkte, wie
er den Mantel enger um sich schlang, und drehte die
Klimaanlage auf Anschlag. Der Wagen kühlte aus, was allein
ihn störte - die Frau wärmte ihr Hass. …
“Geschmolzen”
… “Er lag da wie ein irrer Hybride aus diesen Science- Fiction-
Filmen. Die Lippen nach oben geklappt - ja, geklappt -, sodass
die Zähne mir entgegenblitzten. Sein Gesicht entstellte dieser
Krampf, dieser Zorn aus dem Inneren, der sich in
Dampfhammerschlägen entlud. Ich habe dann gebrüllt, dass
er sich beruhigen sollte, denn ich sah, wie er die
Dampfhammerschläge gegen das eigene Gesicht richtete.
Das gab ein Geräusch, als klopfte man eine Kokosnuss. …
Aber das war es nicht!” Clawday schrie den letzten Satz
unvermittelt. Er krallte sich an die Schreibtischplatte, und
für einen Moment war er der Krampfende. Seine Lippen
klappten - ja, klappten - nach oben und legten die Zähne frei. …
“Zugzwang”
… Johann sah vor seinem inneren Auge, wie er sich dabei auf die
Schenkel schlug. Geschockt sank er auf die Knie. Angst fraß ihn.
Dann stand er wieder auf und wandte sich seiner Truppe zu.
Der Wille zu kämpfen brach in den Augen seiner Mitstreiter. Nur
Heiner drängte sich an den anderen vorbei, stieß eine Faust in
das Strohgesicht der Vogelscheuche erschütterte sie und schlug
ihr die restlichen Fischeier aus den Augen. “Was willst du von uns?
Was hast du davon, Menschen zu quälen?”, rief er dabei. …
“Eiswüste”
… “Ich kann dir helfen, junger Freund”, säuselte eine Stimme plötzlich
durch die Kälte. Der Soldat sagte nichts, grub aber die Finger in den
Schnee. “Junger Freund, ich kann dir helfen.” Mit dem Klang dieser
Stimme verband der Mann sofort ein Grinsen, welches so falsch und
gefährlich wie die Lichtkugel eines Anglerfischs war. “Möchtest du
meine Hilfe, junger Freund? Ich kann dir helfen.” Schon jetzt begann
er, die Anrede junger Freund zu hassen …
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Teaser zu den Geschichten aus
“Wahneswogen”
von Maximilian Goldenfeld